21/09/2021
Höhere Besteuerung der Kapitaleinkommen: eine falsche gute Idee?
Am kommenden 26. September stimmt das Schweizer Volk über die «99%-Initiative» ab, die eine höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen fordert. Um zu verstehen, was für die Unternehmen bei dieser Abstimmung auf dem Spiel steht, folgen einige Überlegungen zur Besteuerung ihres Vermögens.
Der Abstimmungstext lautet «Kapitaleinkommensteile über einem durch das Gesetz festgelegten Betrag sind im Umfang von 150 Prozent steuerbar.» Er ist sehr kurz gefasst und wirft damit zahlreiche Fragen hinsichtlich der konkreten Umsetzung auf. Gegebenenfalls müsste die Bundesversammlung die Anwendungsmodalitäten ausarbeiten und insbesondere definieren, welche Kapitaleinkommen unter das Gesetz fallen und welcher Schwellenbetrag gelten soll.
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Wie werden die Einkommen zurzeit besteuert?
Zunächst zahlt ein Unternehmer, der Aktionär seines Unternehmens ist, sowohl Steuern auf seinem Lohneinkommen als auch auf den allfälligen Dividenden, die von seinem Unternehmen ausgeschüttet werden.
Die derzeitige Vorzugsbesteuerung der Dividenden hat lediglich zum Ziel, die Doppelbesteuerung von Gewinnen – beim Unternehmen einerseits und bei den Aktionären, die mehr als 10% des Aktienkapitals halten andererseits – zu reduzieren. Bei Annahme der Initiative könnte eine Dividende von CHF 100'000 als Einkommen von CHF 150'000 beim Aktionär besteuert werden. Diese erhöhte Besteuerung der Dividenden könnte die Unternehmensnachfolge, für die sie ein wichtiges Finanzierungsinstrument darstellen, erheblich benachteiligen.
Ist der Unternehmer Grundeigentümer, gilt auch der Mietwert der eigenen Wohnung als steuerbares Einkommen (Eigenmietwert). Dieser könnte hypothetisch ebenfalls erhöht werden, ebenso wie die Mieteinnahmen aus Anlageimmobilien, die neben der Einkommenssteuer in vielen Fällen bereits einer Liegenschaftssteuer auf Kantons- und/oder Gemeindeebene unterliegen.
Im Weiteren ist es durchaus möglich, dass die Umsetzung der Initiative zu einer Besteuerung von privaten Kapitalgewinnen führt.
Nach geltendem Recht sind private Kapitalgewinne aus beweglichem Vermögen (z.B. aus der Veräusserung von Aktien) von der Einkommensteuer befreit. Es gibt allerdings bereits Beschränkungen dieses Grundsatzes, um Missbräuche zu vermeiden, insbesondere dann, wenn der Verkauf dazu dient, Reserven von der Steuer zu befreien, die der Aktionär vor dem Verkauf als steuerpflichtige Dividende hätte entnehmen müssen. Diese Gesetzgebung ermöglicht eine angemessene Planung der Unternehmensnachfolge oder des Verkaufs von Start-ups innerhalb eines klar definierten Rahmens und erhöht damit die Attraktivität der Schweiz.
Bei Immobilienverkäufen durch eine natürliche Person werden Kapitalgewinne derzeit ausschliesslich auf kantonaler Ebene besteuert. Die Annahme der Initiative würde zur Einführung einer neuen Steuer auf Bundesebene beim Verkauf von Wohneigentum und zu einem höheren steuerbaren Gewinn aus dem Verkauf führen. Im Weiteren ist zu beachten, dass der Verkauf von Immobilien auf Kantons- und Gemeindeebene bereits der Handänderungssteuer unterliegt.
Und was gilt für das Vermögen?
Das Kapital unterliegt der Vermögenssteuer auf Kantons- und Gemeindeebene. In einigen Kantonen wird das Vermögen, insbesondere Aktien und Immobilien, bereits zu einem Satz von annähernd 1% besteuert. Würde diese Steuer bei Annahme der Initiative wegfallen? Nichts ist weniger sicher.
Im Weiteren ist der Einkommensteuersatz bekanntlich progressiv. Neben der Einführung neuer Steuern (insbesondere auf private Kapitalgewinne) könnte die höhere Besteuerung von Kapitalerträgen erhebliche Auswirkungen auf die Gesamtsteuerlast eines Steuerpflichtigen haben, unabhängig davon, ob er Unternehmer ist oder nicht!